Mittwoch, 29. Juni 2016

Amtsgericht Charlottenburg: Rechtsmissbrauch? IDO-Verband muss auch im Vertragsstrafeprozess seine wettbewerbsrechtliche Aktivlegitimation nachweisen

Eine Klage eines Wettbewerbsverbandes auf  Zahlung einer Vertragsstrafe wegen Zuwiderhandlung gegen eine einmal abgegebene Unterlassungserklärung war bislang äußerst schwierig abzuwehren. Allenfalls konnte man argumentieren, man habe bei Zuwiderhandlung gegen die Unterlassunserklärung nicht schuldhaft gehandelt oder man konnte versuchen, die Angemessenheit der Höhe der Vertragsstrafe rügen, sofern keine konkrete Vertragsstrafe versprochen worden war.

Bei Klagen von Wettbewerbsverbänden, wie dem IDO Verband, wird in Vertragsstrafeprozessen oft von der Beklagtenseite gerügt, der jeweilige Verband sei gar nicht aktiv legitimiert im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Nach dieser Vorschrift ist im Abmahnverfahren insbesondere Voraussetzung, dass dem abmahnenden Wettbewerbsverband eine bedeutende Zahl von Mitgliedern derselben oder einer artverwandten Branche wie derjenigen des Abgemahnten angehört. Eine Vielzahl von Amts- und Landgerichten war bislang der Auffassung, auf die wettbewerbsrechtliche Aktivlegitimation (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) komme es im Vertragsstrafeprozess allerdings überhaupt gar nicht an, weil die Aktivlegitimation aus der Unterlassungserklärung selbst folge. Das ist dogmatisch auch vollkommen richtig, jedenfalls dann, wenn ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers ausgeschlossen werden kann. 

In einem aktuellen Vertragsstrafeverfahren des IDO Verbandes - es geht um die Schmuckbranche - hat das Amtsgericht Charlottenburg demgemäß unter Verweis auf das (offenbar von anderen Amts- und Landgerichten völlig unbeachtete) Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts vom 27.09.2009 - 2 U 2076/05 darauf hingewiesen, dass der IDO Verband für seine Anspruchsbefugnis darlegungs- und beweisbelastet sein dürfte. Denn die Durchsetzung des Vertragsstrafeanspruchs sei dann rechtsmissbräuchlich, wenn der IDO überhaupt gar nicht befugt gewesen ist, eine Abmahnung auszusprechen. Dies ist dann der Fall, wenn der IDO Verband keine bedeutende Anzahl von Mitgliedern aus derselben Branche des in Anspruch Genommenen hat, § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Ob der IDO Verband im vorliegenden Verfahren rechtsmissbräuchlich gehandelt hat, wird sich feststellen lassen, wenn der IDO Verband vor dem Amtsgericht Charlottenburg eine hinreichende Mitgliederliste vorgelegt hat. Daran bestehen unsererseits erhebliche Zweifel.

Aus gegebenem Anlass weisen wir in diesem Zusammenhang darauf hin, dass unsererseits ebenfalls große Zweifel bestehen, ob der IDO Verband in der Textilbranche abmahnen darf. Einer anonymisierten Mitgliederliste des IDO Verbandes aus dem Bereich "Textilien" konnten wir mit einiger Mühe entnehmen, dass eine große Anzahl von angeblichen Textilhändlern gar keine Textilien vertreibt, sondern u. a. Zooartikel, PC Zubehör, Fahrräder und Büroartikel. Manche der unter "Textilien" aufgelisteten Mitglieder erscheinen auch in anderen Mitgliederlisten des IDO Verbandes aus anderen Branchen, sodass sie insoweit doppelt oder mehrfach als Mitglieder geführt werden.

Nehmen Sie jedoch eine Abmahnung des IDO Verbandes sehr ernst. Wenn Sie eine Abmahnung des IDO Verbandes ignorieren, weil Sie sie z. B. für rechtsmissbräuchlich halten, kann es teuer werden. Im einstweiligen Verfügungsverfahren, das einen Betroffenen ggf. mehrere tausend Euro kosten kann, müssen Umstände, wie die Aktivlegitimation nicht bewiesen, sondern lediglich glaubhaft gemacht werden. Der IDO Verband ist sehr geschickt darin, dies z. B. unter Vorlage von lediglich anonymisierten Mitgliederlisten und eidesstattlichen Versicherungen zu tun und Gerichte zur Überzeugung gelangen zu lassen, er sei in der jeweiligen Branche aktivlegitimiert.