Landgericht Bonn
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
Geschäftsnummer: 11 O 49/17
in dem einstweiligen Verfügungsverfahren
des IDO Interessenverbands für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online Unternehmen e. V., vertr. d. d. Vorstand, dieser vertreten durch die Präsidentin Helene Eibl, Uhlandstr. 1. 51379 Berlin
Verfügungskläger,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Vorberg & Partner,
Vorsetzen 41, 20459 Hamburg,
gegen
…..,
Verfügungsbeklagte
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt von der Heyden, Konstanzer Str.
6, 10707 Berlin
hat die 11.
Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn
auf die
mündliche Verhandlung vom 24.04.2018
durch die
Vorsitzende Richterin am Landgericht ……….sowie
die
Handelsrichter …………. und ………………..
für Recht
erkannt:
- Unter Aufhebung des Beschlusses vom 02.11.2017 wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 11.10.2017 zurückgewiesen.
- Die Kosten des Verfahrens trägt der Verfügungskläger.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
Der Kläger ist
ein in Form eines eingetragenen Vereins organisierter Interessenverband der
Online-Unternehmer, der im Vereinsregister des Amtsgerichts Köln unter der
Registernummer VR16434 eingetragen ist. Nach § 2 Abs. 2 seiner Satzung ist
Vereinszweck die umfassende Förderung, insbesondere der rechtlichen und
wirtschaftlichen Interessen deutscher Online-Unternehmer und
Online-Freiberufler.
Auf die
Beschwerde eines Mitglieds nahm der Kläger am 13.09.2017 von der
unternehmerischen Tätigkeit der Beklagten auf der Handelsplattform DaWanda
Kenntnis. Die Beklagte war dort als gewerbliche Verkäuferin unter dem Shopnamen
„…….“ angemeldet. Sie bot dort einen in verschiedenen Farben erhältlichen
Maxi-Schal/Stola aus Wolle-Kaschmir zu einem Preis von 59 € an, der nach den
weiteren Angaben zu dem Artikel in Italien hergestellt und von ihr dort eingekauft
worden war. Bei den weiteren von der Beklagten unter „…“ angebotenen Artikel
handelte es sich um Schals und Tücher, die die Beklagte selber herstellte.
Mit Schreiben
vom 13.09.2017 mahnte der Kläger die Beklagte ab (Anlage K 18). In der Abmahnung
beanstandete er, dass die Informationen der Beklagten zu ihren Angeboten auf
DaWanda „betreffend Accessoires und Textilien“ über die Zusammensetzung der
textilen Materialien nicht den Vorgaben des Artikels 4 der
Textilkennzeichnungsverordnung entsprächen. Zudem fehlte in ihren Angeboten die
bei Verträgen im elektronischen Rechtsverkehr gemäß Artikel 246c Nummer 2 EGBGB
gebotene Unterrichtung des Kunden darüber, ob der Vertragstext nach dem
Vertragsbeschluss von dem Unternehmer gespeichert wird und ob er dem Kunden
zugänglich ist.
Zur Abgabe der
mitversendeten Unterlassungserklärung setzte der Kläger der Beklagten eine
Frist bis zum 20.09.2017 und stellte ihr zudem eine Kostenpauschale für die
Abmahnung iHv 195 € netto, insgesamt 232,05€ brutto, in Rechnung.
Die Beklagte
hat ihre Tätigkeit auf DaWanda inzwischen insbesondere wegen möglichen
finanziellen Auswirkungen des klägerischen Vorgehens eingestellt.
Mit Antrag vom
11.10.2017 hat der Kläger begehrt, der Beklagten im Wege einer einstweiligen Verfügung
aufzugeben, es unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
- im geschäftlichen Verkehr mit dem Verbraucher im Fernabsatz betreffend Accessoires und / oder Textilien Angebote zu veröffentlichen und / oder zu unterhalten, und / oder zu Abgabe von Angeboten aufzufordern, ohne entsprechend über die von der Textilkennzeichnungservorderung (VO (EU) Nr. 1007/2011 vom 27.11.2011; Anhang 1) vorgegeben Bezeichnungen über die Rohstoffzusammensetzung zu informieren, und / oder
- im elektronischen Geschäftsverkehr betreffend Accessoires und / oder Textilien Angebote zu veröffentlichen und / oder zu unterhalten, und / oder zur Abgabe von Angeboten aufzufordern, ohne den Kunden vor dessen Bestellung darüber zu informieren, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer selbst den Vertragstext dem Kunden zugänglich macht.
Jeweils wie nachstehend
wiedergegeben
( Screenshots )
Durch Beschluss
vom 12.10.2017 hat die Kammervorsitzende den Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung zunächst zurückgewiesen; auf die Begründung dieses
Beschlusses (Blatt 36 d.A.) wird inhaltlich Bezug genommen. Auf die zunächst
per Fax am 01.11 eingeleitete Beschwerde des Klägers wurde die einstweilige
Verfügung durch die vertretungsweise zuständige Vorsitzende unter Aufhebung des
Beschlusses vom 12.10.2017 auftragsgemäß am 02.11.2017 erlassen. Hiergegen
richtet sich der Widerspruch der Beklagten vom 22.03.2018.
Der Kläger ist
der Auffassung, ihm stehe der Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1. Abs. 3 Nr.
2 i. V. m. 3, 3a, 5, 5a UWG zu.
Er ist u a. Der
Ansicht er sei gemäß $ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert. Er verfüge
insbesondere - dies wird näher ausgeführt -
über die erforderliche personelle, sachliche und finanzielle
Ausstattung. Zu seinen etwa 2400 Mitgliedern gehörten zahlreiche Händler, die
Textilien und / oder Accessoires über die Handelsplattform eBay und / oder
Amazon und / oder DaWanda und / oder in eigenen online -shops vertreiben. In
den hier maßgeblichen Branchen „Accessoires“ und „Textilien“ verfüge er über
118 bzw. 248 Mitglieder (Anlage K 15 sowie K 21). Nach der Rechtsprechung genügten
in aller Regel sieben Mitglieder, um die Geltendmachung von Individualinteressen
auszuschließen.
Für seine
Aktivlegitimation bestehe zudem angesichts der als K 24 eingereichten Liste der
Gerichte, die ihm die Aktivlegitimation zugesprochen hätten eine tatsächliche
Vermutung.
Der Kläger
behauptet, sein Abmahnbetrieb erfülle keinen wirtschaftlichen, sondern einen
gemeinnützigen Zweck.
Der Kläger
beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 02.11.2017 aufrechtzuerhalten.
die einstweilige Verfügung vom 02.11.2017 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte
beantragt,
den
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 11.10.2017 unter Aufhebung
des Beschlusses vom 02.11.2017 zurückzuweisen.
Sie ist der
Ansicht, dem Kläger fehle die Aktivlegitimation.
Die von ihm
vorgelegte Liste sei unzureichend und überdies falsch. Im Rahmen einer
telefonischen Befragung von 238 beim Kläger angeblich als Textilhändler
gelisteten Mitglieder hätten nur 46 ihre Mitgliedschaft positiv bestätigt, wobei
19 davon angegeben hätten, vorher wegen einer Abmahnung an den Kläger Geld
bezahlt zu haben; 12 hätten angegeben, kein Mitglied beim Kläger zu sein; mehr
als die Hälfte der gelisteten Mitgliederunternehmen seien nicht erreichbar
gewesen.
Zudem verfüge der
Kläger - auch dies wird näher ausgeführt -
nicht über die an einen Verband in personeller und finanzieller Hinsicht
zu stellenden Anforderungen.
Abgesehen davon
lägen aber auch die gerügten Wettbewerbsverstöße nicht vor. Die Beklagte sei
inzwischen bei der Handwerkskammer zu Köln als Maßschneiderin eingetragen. Die
weitere begehrte Information finde sich in § 2 der AGB der Beklagten unter
Absatz 3.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Der Antrag ist unzulässig.
Der Kläger ist
nicht antragsbefugt.
Nach § 8 Absatz
3 Nr. 2 UWG stehen die Ansprüche aus Absatz 1 rechtsfähigen Verbänden zur
Förderung gewerblicher oder selbstständiger
beruflicher Interessen zu soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmen
angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf
demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen,
sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsgemäße
Aufgabe der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen
tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihre
Mitglieder berührt.
Einem
Wettbewerbsverband gehört nach der festigten Rechtsprechung des BGH eine im
Sinne dieser Regelung „erhebliche Anzahl von Unternehmen“ an, wenn diese Mitglieder
als Unternehmer, bezogen auf den maßgeblichen Markt, in der Weise repräsentativ
sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbands ausgeschlossen werden
kann. Auf die Mitgliedschaft einer bestimmten Mindestzahl oder gar der Mehrheit
kommt es dabei nicht an.
Dem Zweck des
Gesetzes, die Klage- bzw. Antragsbefugnis der Verbände auf solche Fälle zu
beschränken, die die Interessen einer erheblichen Zahl von Wettbewerbern
berühren, die Mitglieder des Verbandes sind, wird nach Auffassung des BGH dann
hinreichend Rechnung getragen, wenn das Gericht im Rahmen des Freibeweises die
Überzeugung gewinnen kann, dass es dem Verband bei der Konkreten
Rechtsverfolgung nach der Struktur seiner Mitglieder um die ernsthafte
kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen geht (BGH, I ZR 79/94,
Preisrätselgewinnauslobung III, Juris-Tz. 26 unter Bezugnahme auf die
Gesetzbegründung BGH, I ZR 197/06, Sammelmitgliedschaft VI, juris-Tz. 12)
Die Kammer
konnte diese Überzeugung nicht gewinnen.
Der Kläger ist
seinem Vortrag nach vorliegend auf eine Beschwerde eines Mitglieds tätig
geworden.
Streitgegenstand
und damit Gegenstand der hier „konkreten Rechtsverfolgung“ im Sinne der
vorstehend zitierten Vorgabe des BGH ist allein das Angebot der Beklagten für ein
Schal zum Preis von 59,- € ohne ausreichende Textilkennzeichen sowie
Pflichtinformation nach § 312 | Abs.1 Nr.2 BGB iVm Art 246 c Nr.2 EGBGB. Alle
weiteren damals aus der Kreativplattform DaWanda von der Beklagten angebotenen
Tücher und Schals stellte diese selbst nach Wünschen der Käufer her.
Die
Überzeugung, dass es dem Kläger vorliegend mit seinem Unterlassungsbegehren,
dessen Streitwert er ursprünglich pauschal mit 8.000€ angegeben hat und das im
Hinblick auf ein Angebot der Beklagten durch ein Mitglied ausgelöst wurde, nach
der Struktur seiner Mitglieder um die ernsthafte kollektive Wahrnehmung von
Mitgliederinteressen geht, vermochte die Kammer auch unter Berücksichtigung der
ihr insoweit grsl. zustehenden Freibeweismöglichkeiten nicht gewinnen.
Für die
Aktivlegitimation und Antragsbefugnis des Klägers besteht auch keine
tatsächliche Vermutung, weil diese in anderen Verfahren von mehreren anderen
Gerichten bei anderen Streitgegenständen bejaht wurde. Vielmehr ist
entsprechend den gesetzlichen Vorgaben stets im Einzelfall zu prüfen, ob die
vorstehend dargestellten Voraussetzung des § 8 Abs.3 Nr.2 UWG erfüllt
sind. Die Nebenentscheidungen beruhen
auf §§ 91, 709 Satz 1 ZPO.
Streitwert:
1.000€