Dienstag, 3. Mai 2016

Beschluss des Kammergerichts zu Streitwerten im Wettbewerbsrecht



Das Kammergericht hat im Rahmen eines Prozesskostenhilfeantrages betreffend eine Streitwertbeschwerde noch einmal bekräftigt, welche Streitwerte es in wettbewerbsrechtlichen Angelegenheiten bei scheinbaren Kavaliersdelikten (Impressumsverstößen, Verstößen gegen Vorschriften betreffend Widerrufsbelehrungen, fehlendem Hinweis auf Mängelhaftungsrecht, etc.) für angemessen hält. Dabei war auch die wirtschaftliche Situation des in Anspruch Genommenen maßgebend.

Leitsätze des Verfassers:


1.
Das gänzliche Fehlen eines Impressums oder einer Widerrufsbelehrung bewertet der Senat mit einem Hauptsachewert von 15.000,- Euro, deren Fehlerhaftigkeit dagegen mit 7.500,- Euro.

2.
Der fehlende Hinweis auf das Bestehen des gesetzlichen Mängelhaftungsrechts ist einem fehlerhaften Impressum bzw. einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung gleichzusetzen und in der Hauptsache mit 7.500,- Euro anzusetzen.

3.
Für das Eilverfahren bleibt es dabei, dass der Verfahrenswert 2/3 des Hauptsachestreitwertes beträgt. Ist die Sache für den in Anspruch genommenen im Hinblick auf seine bisherige unternehmerische Tätigkeit und seine Einkommensverhältnisse jedoch von geringerer wirtschaftlicher Bedeutung i. S. d. § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG, ist ein weiterer Abzug von 1/3 des Gesamtwertes angemessen.


Volltext:
           
Kammergericht
Beschluss

Geschäftsnummer: 5 W 224/15
103 O 44/15 Landgericht Berlin

In dem Streitwertfestsetzungsverfahren
zu dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

… ./. …

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Schmelz, den Richter am Kammergericht Dr. Pahl und die Richterin am Kammergericht Johansson

am 15. März 2016
beschlossen: 


1.
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 24. September 2015 gegen den Beschluss der Kammer für Handelssachen 103 des Landgerichts Berlin vom 14. September 2015 - 103 O 44/15 - wird zurückgewiesen.

2.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:
I.
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen die Zurückweisung seines Prozesskostenhilfegesuchs ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. und Satz 3, § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 ZPO statthaft und zulässig, aber nicht begründet.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor, da die beabsichtigte Beschwerde gegen die Wertfestsetzung im Beschluss der Kammer für Handelssachen 103 des Landgerichts Berlin vom 28. April 2015 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

1.
Gemäß § 51 Abs. 2 GKG ist der Wert eines Verfahrens, mit dem Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche durchgesetzt werden sollen, nach freiem Ermessen zu bestimmen.

Maßgeblich für die Ermessensausübung ist bei einer auf Unterlassung von Lauterkeitsrechtsverletzungen gerichteten Klage zunächst das Interesse, das der Kläger an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße hat (§ 51 Abs. 2 GKG).

Dieses Interesse wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit für den Wettbewerber oder Verbraucher bzw. den Gläubiger anhand des drohenden Schadens bestimmt. Dabei sind u. a. die Unternehmensverhältnisse bei dem Verletzer (Umsätze, Größe, Wirtschaftskraft, Marktstellung und deren voraussichtliche Entwicklung), die Auswirkungen zukünftiger Verletzungshandlungen (Ausmaß, Intensität und Häufigkeit, insbesondere durch die bereits begangene Verletzungshandlung) und die Intensität der Wiederholungsgefahr (Verschuldensgrad, späteres Verhalten) zu berücksichtigen (vgl. zu Vorstehendem BGH GRUR 1990, 1052, 1053 - Streitwertbemessung; Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm. UWG, 34. Aufl., § 12, Rn. 5.3 ff. m. w. N.).

Ein gewichtiges Indiz für die Schätzung des Interesses nach vorstehenden Grundsätzen bildet nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Angabe des Streitwerts in der Klage- bzw. Antragsschrift; denn diese Angabe erfolgt grundsätzlich noch unbeeinflusst vom Ausgang des Rechtsstreits. Sie kann daher der Streitwertfestsetzung regelmäßig zugrunde gelegt werden, es sei denn, dass sich aus den Umständen die Fehlerhaftigkeit der Angabe ergibt. Die Streitwertangabe enthebt das Gericht daher nicht der Notwendigkeit, diese anhand der Aktenlage und sonstiger Gegebenheiten unter Berücksichtigung seiner Erfahrung und in vergleichbaren Fällen erfolgter Wertfestsetzungen selbständig nachzuprüfen (vgl. Senat KG-Report 1998, 170, 171).

Vorstehende Grundsätze gelten entsprechend für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, wobei nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Verfahrenswert regelmäßig mit zwei Dritteln eines entsprechenden Hauptsacheverfahrenswertes bemessen werden kann (Senat WRP 2005, 368), um den Vorgaben des § 51 Abs. 4 GKG zu genügen. Diesen Vorgaben hält die Entscheidung des Landgerichts Stand, den Wert der vom Antragsteller geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung,

a)
im geschäftlichen Verkehr mit dem Endverbraucher im Fernabsatz auf der Handelsplattform eBay betreffend Kosmetik Angebote zu veröffentlichen und/oder zu unterhalten,

aa)
bei denen eine Widerrufsbelehrung ohne Information über das Musterwiderrufsformular gemäß dem amtlichen Muster zur Verfügung gestellt wird,

und/oder

bb)
ohne Informationen über das Bestehen eines gesetzlichen Mängelhaftungsrechts für Waren zur Verfügung zu stellen,

und/oder

b)
im elektronischen Geschäftsverkehr auf der Handelsplattform eBay betreffend Kosmetik Angebote zu veröffentlichen und/oder zu unterhalten, ohne den Kunden darüber zu informieren, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer selbst gespeichert wird und ob der Unternehmer selbst den Vertragstext dem Kunden dem Kunden zugänglich macht,

wie im landgerichtlichen Beschluss nachstehend wiedergegeben, auf insgesamt 10.000,- € festzusetzen.

Das gänzliche Fehlen der Widerrufsbelehrung bewertet der Senat im Regelfall mit 15.000,-. € in der Hauptsache (vgl. WRP 2010, 789), eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung hingegen nur mit einem Teilbetrag (vgl. Beschluss vom 5. Dezember 2006, 5 W 295/O6), regelmäßig 7.500,- €.

Es entspricht zudem ständiger Rechtsprechung des Senats, bei Verstößen gegen die einem Diensteanbieter gemäß § 5 TMG treffenden Informationspflichten im Fall eines gänzlich fehlenden Impressums in der Regel einen Hauptsachewert von 15.000,- € und bei einem fehlerhaften Impressum in der Regel einen Wert von 7.500,- € anzunehmen (vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 18. September 2012, 5 W 146/12).

lm vorliegenden Fall hat der Antragsteller die Widerrufsbelehrung des Antragsgegners im Hinblick auf das Fehlen eines Musterwiderrufsformulars beanstandet, so dass nach dem Vorgesagten der anteilige Wert des auf die Widerrufsbelehrung gerichteten Verbots im vorliegenden Eilverfahren mit 5.000,- € anzusetzen ist.

Das Fehlen der Informationen über das Bestehen eines gesetzlichen Mängelhaftungsrechts ist einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung bzw. einem fehlerhaften Impressum in jedem Fall gleichzusetzen, also im vorliegenden Fall mit jedenfalls 5.000,- € anzusetzen.

Damit ist der vom Landgericht festgesetzte Wert erreicht, ohne dass die fehlende Information darüber, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer gespeichert wird und dem Kunden zugänglich ist, berücksichtigt worden ist. Da aber der anteilige Wert des auf Unterlassung dieses Wettbewerbsverstoßes in vergleichbarer Größenordnung anzusetzen ist, entspricht dies einer Minderung des grundsätzlich angemessenen Gesamtverfahrenswertes um 1/3.

Dies genügt, um der geringeren Bedeutung der Sache für den Antragsgegner gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG, gerade auch im Hinblick auf den bisherigen Umfang seiner unternehmerischen Tätigkeit und seine bisherigen Einkommensverhältnisse, Rechnung zu tragen. (vgl. auch OLG Zweibrücken NJW-RR 2014, 1535). § 51 Abs. 3 Satz 2 GKG kann hier keine Anwendung finden, da nach den obigen Ausführungen genügende Anhaltspunkte für die Bestimmung des Verfahrenswertes vorliegen.

II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Schmelz                    Dr. Pahl                     Johansson