Das Kammergericht hat im Rahmen eines Prozesskostenhilfeantrages betreffend
eine Streitwertbeschwerde noch einmal bekräftigt, welche Streitwerte es in
wettbewerbsrechtlichen Angelegenheiten bei scheinbaren Kavaliersdelikten (Impressumsverstößen,
Verstößen gegen Vorschriften betreffend Widerrufsbelehrungen, fehlendem Hinweis
auf Mängelhaftungsrecht, etc.) für angemessen hält. Dabei war auch die
wirtschaftliche Situation des in Anspruch Genommenen maßgebend.
Leitsätze des Verfassers:
1.
Das gänzliche Fehlen eines Impressums oder einer Widerrufsbelehrung bewertet
der Senat mit einem Hauptsachewert von 15.000,- Euro, deren Fehlerhaftigkeit
dagegen mit 7.500,- Euro.
2.
Der fehlende Hinweis auf das Bestehen des gesetzlichen Mängelhaftungsrechts
ist einem fehlerhaften Impressum bzw. einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung
gleichzusetzen und in der Hauptsache mit 7.500,- Euro anzusetzen.
3.
Für das Eilverfahren bleibt es dabei, dass der Verfahrenswert 2/3 des Hauptsachestreitwertes
beträgt. Ist die Sache für den in Anspruch genommenen im Hinblick auf seine
bisherige unternehmerische Tätigkeit und seine Einkommensverhältnisse jedoch von
geringerer wirtschaftlicher Bedeutung i. S. d. § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG, ist ein weiterer Abzug von 1/3 des Gesamtwertes
angemessen.
Volltext:
Kammergericht
Beschluss
Geschäftsnummer: 5 W 224/15
103 O 44/15
Landgericht Berlin
In dem
Streitwertfestsetzungsverfahren
zu dem
Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
… ./. …
hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am
Kammergericht Schmelz, den Richter am Kammergericht Dr. Pahl und die Richterin
am Kammergericht Johansson
am 15. März 2016
beschlossen:
1.
Die sofortige Beschwerde des
Antragsgegners vom 24. September 2015 gegen den Beschluss der Kammer für
Handelssachen 103 des Landgerichts Berlin vom 14. September 2015 - 103 O 44/15
- wird zurückgewiesen.
2.
Außergerichtliche Kosten werden nicht
erstattet.
Gründe:
I.
Die sofortige Beschwerde des
Antragsgegners gegen die Zurückweisung seines Prozesskostenhilfegesuchs ist gemäß
§ 127 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. und Satz 3, § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 ZPO
statthaft und zulässig, aber nicht begründet.
Die Voraussetzungen für die
Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor, da die beabsichtigte
Beschwerde gegen die Wertfestsetzung im Beschluss der Kammer für Handelssachen
103 des Landgerichts Berlin vom 28. April 2015 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg
hat.
1.
Gemäß § 51 Abs. 2 GKG ist der Wert
eines Verfahrens, mit dem Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche
durchgesetzt werden sollen, nach freiem Ermessen zu bestimmen.
Maßgeblich für die Ermessensausübung
ist bei einer auf Unterlassung von Lauterkeitsrechtsverletzungen gerichteten
Klage zunächst das Interesse, das der Kläger an der Unterbindung weiterer gleichartiger
Verstöße hat (§ 51 Abs. 2 GKG).
Dieses Interesse wird maßgeblich durch
die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit für den Wettbewerber
oder Verbraucher bzw. den Gläubiger anhand des drohenden Schadens bestimmt.
Dabei sind u. a. die Unternehmensverhältnisse bei dem Verletzer (Umsätze, Größe,
Wirtschaftskraft, Marktstellung und deren voraussichtliche Entwicklung), die
Auswirkungen zukünftiger Verletzungshandlungen (Ausmaß, Intensität und Häufigkeit,
insbesondere durch die bereits begangene Verletzungshandlung) und die Intensität
der Wiederholungsgefahr (Verschuldensgrad, späteres Verhalten) zu berücksichtigen
(vgl. zu Vorstehendem BGH GRUR 1990, 1052, 1053 - Streitwertbemessung; Köhler/Feddersen
in: Köhler/Bornkamm. UWG, 34. Aufl., § 12, Rn. 5.3 ff. m. w. N.).
Ein gewichtiges Indiz für die Schätzung
des Interesses nach vorstehenden Grundsätzen bildet nach ständiger
Rechtsprechung des Senats die Angabe des Streitwerts in der Klage- bzw. Antragsschrift;
denn diese Angabe erfolgt grundsätzlich noch unbeeinflusst vom Ausgang des Rechtsstreits.
Sie kann daher der Streitwertfestsetzung regelmäßig zugrunde gelegt werden, es sei
denn, dass sich aus den Umständen die Fehlerhaftigkeit der Angabe ergibt. Die
Streitwertangabe enthebt das Gericht daher nicht der Notwendigkeit, diese anhand
der Aktenlage und sonstiger Gegebenheiten unter Berücksichtigung seiner
Erfahrung und in vergleichbaren Fällen erfolgter Wertfestsetzungen selbständig
nachzuprüfen (vgl. Senat KG-Report 1998, 170, 171).
Vorstehende Grundsätze gelten entsprechend
für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, wobei nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats der Verfahrenswert regelmäßig mit zwei Dritteln eines
entsprechenden Hauptsacheverfahrenswertes bemessen werden kann (Senat WRP 2005,
368), um den Vorgaben des § 51 Abs. 4 GKG zu genügen. Diesen Vorgaben hält die
Entscheidung des Landgerichts Stand, den Wert der vom Antragsteller geltend
gemachten Ansprüche auf Unterlassung,
a)
im geschäftlichen Verkehr mit dem
Endverbraucher im Fernabsatz auf der Handelsplattform eBay betreffend Kosmetik
Angebote zu veröffentlichen und/oder zu unterhalten,
aa)
bei denen eine Widerrufsbelehrung ohne
Information über das Musterwiderrufsformular gemäß dem amtlichen Muster zur
Verfügung gestellt wird,
und/oder
bb)
ohne Informationen über das Bestehen
eines gesetzlichen Mängelhaftungsrechts für Waren zur Verfügung zu stellen,
und/oder
b)
im elektronischen Geschäftsverkehr auf
der Handelsplattform eBay betreffend Kosmetik Angebote zu veröffentlichen und/oder
zu unterhalten, ohne den Kunden darüber zu informieren, ob der Vertragstext
nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer selbst gespeichert wird und ob der
Unternehmer selbst den Vertragstext dem Kunden dem Kunden zugänglich macht,
wie im landgerichtlichen Beschluss
nachstehend wiedergegeben, auf insgesamt 10.000,- € festzusetzen.
Das gänzliche Fehlen der
Widerrufsbelehrung bewertet der Senat im Regelfall mit 15.000,-. € in der
Hauptsache (vgl. WRP 2010, 789), eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung hingegen
nur mit einem Teilbetrag (vgl. Beschluss vom 5. Dezember 2006, 5 W 295/O6),
regelmäßig 7.500,- €.
Es entspricht zudem ständiger Rechtsprechung
des Senats, bei Verstößen gegen die einem Diensteanbieter gemäß § 5 TMG treffenden
Informationspflichten im Fall eines gänzlich fehlenden Impressums in der Regel
einen Hauptsachewert von 15.000,- € und bei einem fehlerhaften Impressum in der
Regel einen Wert von 7.500,- € anzunehmen (vgl. z.B. Beschluss des Senats vom
18. September 2012, 5 W 146/12).
lm vorliegenden Fall hat der
Antragsteller die Widerrufsbelehrung des Antragsgegners im Hinblick auf das
Fehlen eines Musterwiderrufsformulars beanstandet, so dass nach dem Vorgesagten
der anteilige Wert des auf die Widerrufsbelehrung gerichteten Verbots im
vorliegenden Eilverfahren mit 5.000,- € anzusetzen ist.
Das Fehlen der Informationen über das
Bestehen eines gesetzlichen Mängelhaftungsrechts ist einer fehlerhaften
Widerrufsbelehrung bzw. einem fehlerhaften Impressum in jedem Fall gleichzusetzen,
also im vorliegenden Fall mit jedenfalls 5.000,- € anzusetzen.
Damit ist der vom Landgericht
festgesetzte Wert erreicht, ohne dass die fehlende Information darüber, ob der
Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer gespeichert wird und dem
Kunden zugänglich ist, berücksichtigt worden ist. Da aber der anteilige Wert
des auf Unterlassung dieses Wettbewerbsverstoßes in vergleichbarer Größenordnung
anzusetzen ist, entspricht dies einer Minderung des grundsätzlich angemessenen
Gesamtverfahrenswertes um 1/3.
Dies genügt, um der geringeren
Bedeutung der Sache für den Antragsgegner gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG, gerade
auch im Hinblick auf den bisherigen Umfang seiner unternehmerischen Tätigkeit
und seine bisherigen Einkommensverhältnisse, Rechnung zu tragen. (vgl. auch OLG
Zweibrücken NJW-RR 2014, 1535). § 51 Abs. 3 Satz 2 GKG kann hier keine
Anwendung finden, da nach den obigen Ausführungen genügende Anhaltspunkte für
die Bestimmung des Verfahrenswertes vorliegen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
127 Abs. 4 ZPO.
Schmelz Dr. Pahl Johansson