Landgericht
Hildesheim
lm Namen des Volkes
Urteil
Aktenzeichen: 11 O 5/19 Verkündet am
24.11.2020
In dem Rechtsstreit
IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting
deutscher Online-
Unternehmen e.V., vertreten durch den Vorstand, dieser
vertreten durch die 1.
Vorsitzende …, Uhlandstraße 1, 51379 Leverkusen,
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Paps, Reichelt, Paul, Vorsetzen 41, 20459
Hamburg,
Geschäftszeichen: 491/18 BW17,
gegen
…
- Beklagte
Prozessbevollmächtigter:
von der Heyden Rechtsanwaltskanzlei, Konstanzer Straße 6,
10707 Berlin,
Geschäftszeichen: 28/19 Cv06,
hat das Landgericht Hildesheim - 2. Kammer für Handelssachen
- durch die
Vorsitzende Richterin am Landgericht … den Handelsrichter …
- und
den Handelsrichter … im schriftlichen Verfahren gemäß § 128
Abs.2 ZPO
aufgrund der bis zum 9. November 2020 eingereichten
Schriftsätze am 24. November
2020 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110%
des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf bis zu 12.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Unterlassung von
Wettbewerbsverstößen.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der laut seiner
Satzung die Interessen von Online-Unternehmen vertritt. Zu seinen
satzungsmäßigen Aufgaben gehört nach § 2 Abs. 2 der Satzung (Anlage K 3a (ab
26.06.2018) und Anlage K 3 (gesondert geheftet) die Förderung insbesondere der
rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder. In streitigen
Fällen werden die Satzungszwecke u.a. durch Abmahnungen und Prozessführung verwirklicht
(§ 2 Abs. 3 der Satzung). Das Zustandekommen der Mitgliedschaft bei dem Kläger
wird durch die Satzung sowie die - online abrufbaren -Nutzungsbedingungen des
Klägers (Anlage B 16, Bd. l Bl. 99 ff. d.A.) geregelt. Interessierte
Unternehmen werden beim Kläger Mitglied, indem sie über das Online-Registrierungsformular
auf der Webseite des Klägers (www.ido-verband.de) ihre Registrierung abgeben
und nach Eingabe der erforderlichen Daten auf das Feld „registrieren“ klicken.
Das potentielle Mitglied erhält sodann eine automatische E-Mail mit vorläufigen
Zugangsdaten zum Portal des Klägers. Nachfolgend erhält das potentielle
Mitglied sodann eine Rechnung zu seiner Jahresmitgliedschaft. Einen gesonderten
Aufnahmebeschluss des Vorstandes gibt es nicht.
Die Beklagte handelt als gewerbliche Verkäuferin über die
Online-Plattform eBay mit Münzen. Sie bot bei eBay am 3. Mai 2017 eine
Goldmünze Kaiser Wilhelm ll (Angebot Anlage K 7) zum Verkauf an. In dem Angebot
fehlte in der Widerrufsbelehrung ein Hinweis auf das Muster-Widerrufsformular
sowie ein Link zu der eingerichteten Online-Plattform der EU-Kommission zur
außergerichtlichen Online-Streitbeilegung (OS-Plattform). Weiter fehlte es in
dem Angebot an der Pflichtinformation, ob die Beklagte den Vertragstext selbst
speichert und dem Kunden zugänglich macht. Nach Kenntniserlangung von den
Verstößen mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 3. Mai 2017 (Anlage
K 10) ab und forderte sie zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf, was die
Beklagte ablehnte.
Der Kläger nahm daraufhin die Beklagte im einstweiligen
Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Hildesheim (Beiakte 11 O 17/17) wegen
dieser Verstöße in Anspruch. Dieses erließ zunächst die begehrte einstweilige
Verfügung mit Beschluss vom 26. Mai 2017 (Bl. l Bl. 23 ff Beiakte), hob diese
jedoch auf den Widerspruch der Beklagten auf (Urteil vom 24. Oktober 2017, Bd.
l Bl. 130 ff Beiakte). Auf die Berufung des Klägers erließ das
Oberlandesgericht Celle mit Urteil vom 13. März 2018 (13 U 160/17, Anlage K 14
= Bd. lll Bl. 454 ff. Beiakte) die einstweilige Verfügung und verurteilte den
Beklagten zur Unterlassung.
Nachdem die Beklagte auch nach Aufforderung des Klägers vom 4. Juni 2018 keine Abschlusserklärung abgab, erhob der Kläger am 8. Februar 2019 die vorliegende Klage.
Der Kläger behauptet, er sei aktivlegitimiert und
prozessführungsbefugt. Die Aktivlegitimation des Klägers sei bislang von den
angerufenen Wettbewerbsgerichten gerichtlich bestätigt worden. Es bestehe daher
eine tatsächliche Vermutung für das Bestehen der Aktivlegitimation. Er verfüge
über die personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung, um seine satzungsmäßigen
Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher
Interessen tatsächlich wahrzunehmen. Er verfüge über eine eigene Geschäftsstelle,
die die tägliche Arbeit wahrnehme. Hierzu zählen insbesondere die Mitgliederbetreuung
sowie die Feststellung von Wettbewerbsverstößen nebst eigenständiger Verfolgung
durch Abmahnungen. Erst wenn gerichtliche Verfahren notwendig' würden,
beauftrage er eine Rechtsanwaltskanzlei mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen
Interessen. Die Mitarbeiterinnen des Klägers seien jahrelang dort tätig und
verfügten über großes Wissen im Bereich des Wettbewerbsrechts in Theorie und
Praxis. Sämtliche Mitarbeiterinnen des Klägers besuchten z.B. regelmäßig Schulungsveranstaltungen,
die von spezialisierten Anwälten abgehalten würden.
Der Kläger verfüge außerdem über eine ausreichende
finanzielle Ausstattung, wie monatliche Einnahmen, die es 'ihm ohne weiteres ermöglichen,
die laufenden finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen. lm Jahr 2017 seien
Mitgliedsbeiträge von durchschnittlich 44.627,08 ê/Monat bzw. 535.525,01 ê/Jahr
erzielt worden. Die Mitgliederzahl habe im März 2018 2.395 Mitglieder betragen.
Er verfüge über eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern, in der Branche „Sammlerartikel
- Münzhandel, Silberwaren und Schmuck“ im Onlinehandel bundesweit tätig seien. Ihm
gehörten aktuell 29 Händler an, die bundesweit derartige Sammlerartikel über
die Handelsplattformen eBay bzw. Amazon und/oder in eigenen Onlineshops
vertreiben würden (nicht anonymisierte Mitgliederliste Stand 09.05.2019 Anlage
K 34; zuvor 30 Mitglieder: Mitgliederliste Anlage K 8). Zum Nachweis der Mitgliedschaft
sei die Vorlage der nicht anonymisierten Mitgliederliste nebst aktuellen Rechnungen
und Zahlungsnachweisen ausreichend. Die Zahlungen der Mitgliedsbeiträge ergäben
sich aus den StarMoney-Kontoauszügen (Anlage K 53) sowie aus den Kontoauszügen
seiner Bank (Anlage K 54), den aktuellen Mitgliedsrechnungen (Anlage K 55 und K
65). Dass diese Mitglieder auch tatsächlich in der Rubrik, Silberwaren und
Schmuck tätig seien, ergeben sich aus den aktuellen Screenshots (Anlage K 56, K
58, K 60 bis K 64). Unschädlich sei, dass es sich bei den Mitgliedern, die als
Händler tätig seien, um passive Vereinsmitglieder handele. Dies sei gerade
gewollt, weil ansonsten die Vereinsziele des Klägers bei ca. 2.600 Mitgliedern
nicht mit kostenpflichtigen Versammlungen und endlosen Debatten mit
juristischen Laien zu erreichen seien. Die Mitgliederversammlungen fänden ca.
alle fünf Jahre statt. Der Kläger verfüge über 30 bis 50 aktive Mitglieder.
Eine Teilnahme an Versammlungen sei außerdem nicht die Zielsetzung der
Mitglieder. Diese wünschten vielmehr, dass der Kläger den Markt und die juristischen
Rahmenbedingungen beobachte und einen Support liefere, der ihnen möglichst viel
Zeit lasse, sich um ihre eigenen Kerngeschäfte zu kümmern. Außerdem seien die
passiven Mitglieder bei der Willensbildung auch nicht komplett außen vor; alle
passiven Mitglieder hätten anderweitige Möglichkeiten, das Vereinsgeschehen zu beeinflussen.
Die passiven Mitglieder stünden in regelmäßigen Kontakt mit dem Kläger und
könnten sich bei Hilfestellungen jederzeit an diesen wenden. Viele der Beiträge,
Rechtstexte und Formulare im Login-Bereich gingen auf Anregungen der passiven
Mitglieder zurück. Die Mitgliederversammlungen würden außerdem bekannt gegeben
und ein passives Mitglied würde nicht an der Teilnahme gehindert werden.
Der Kläger beantragt,
dem Beklagten wird aufgegeben, es bei Vermeidung eines vom
Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis
zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, mit
der Maßgabe, dass die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu
unterlassen,
a) im geschäftlichen Verkehr mit dem Endverbraucher im
Fernabsatz betreffend Sammlerartikel im Bereich Münzhandel, Silberwaren und
Schmuck Angebote zu veröffentlichen und /oder zu unterhalten,
(1) bei denen eine Widerrufsbelehrung ohne Information über
das Muster-Widerrufsformular gemäß dem amtlichen *Muster zur Verfügung gestellt
wird, und /oder
(2) ohne auf der Webseite einen für Verbraucher leicht
zugänglichen Link zur OS-Plattform einzustellen, und/oder
b) im elektronischen Geschäftsverkehr betreffend
Sammlerartikel Angebote zu veröffentlichen und /oder zu unterhalten, ohne den
Kunden darüber zu informieren, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von
dem Unternehmen selbst gespeichert wird und ob der Unternehmer selbst den
Vertragstext dem Kunden zugänglich macht jeweils wie nachstehend wiedergegeben:
[Die drei folgenden Seiten enthalten Screenshots des
Internetauftritts der
Beklagten und wurden aus datenschutzrechtlichen Gründen
entfernt.]
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert. Der
Kläger habe weder nachgewiesen, dass er über die hinreichende sachliche,
finanzielle und personelle Ausstattung verfüge, noch dass die benannten Händler
Mitglied bei ihm seien und ihrerseits mit Münzen handeln würden. Vor allem sei das
Vorgehen des Klägers insgesamt rechtsmissbräuchlich. Die Rechtsmissbräuchlichkeit
ergebe sich daraus, dass nur einige wenige Stammmitglieder eine aktive
Mitgliedschaft erhielten, alle anderen Mitglieder jedoch nur eine passive
Mitgliedschaft. Diese würden daher systematisch von der Willensbildung
innerhalb des Klägers ausgeschlossen. Die Mitglieder des Klägers seien außerdem
nur Händler, die vorher selber abgemahnt worden seien und daher eine
Zwangsmitgliedschaft eingegangen seien, sich also einem Schutzgeldsystem unterworfen
hätten, um weiteren Abmahnungen zu entgehen. Der Rechtsmissbrauch zeige sich
außerdem darin, dass der Kläger selbst bei positiver Kenntnis von Verstößen
nicht gegen seine eigenen Mitglieder einschreite. Dieses Verschonen der eigenen
Mitglieder erfolge systematisch und sei kein Einzelfall.
Die Kammer hat gemäß Beweisbeschluss vom 12. August 2019
(Bd. l Bl. 167 ff. d.A.) über die Frage der Mitgliedschaft durch Vernehmung von
Zeugen Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf
die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 24. September 2019 (Bd. ll Bl.
211 ff. d.A.), 26. November 2019 (Bd. ll Bl. 309 ff. d.A.) und 23. Januar 2020
(Bd. Ill Bl. 396 ff. d.A.) Bezug genommen.
Mit Hinweisen gemäß Ziffern 1. und 2. des Beschlusses vom
14. April 2020 (Bd. Ill Bl. 523 ff. d.A.) wurde auf die mögliche Unzulässigkeit
der Klage bzw. auf die Entscheidungsreife des Rechtsstreits hingewiesen und die
Beendigung der Beweisaufnahme angekündigt.
Die Akte 11 O 17/17 Landgericht Hildesheim war beigezogen
und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist unzulässig.
Zwar hat die Beklage bei ihrem Angebot vom 3. Mai 2017 die
mit der Klage gerügten Pflichtangaben (fehlender Hinweis auf
Muster-Widerrufsformular gemäß §§ 312b, 312g Abs. 1 i.V.m. §§ 255 ff, 312d Abs.
1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 2 und 3, Anlage 2 zu Art. 246a EGBGB; fehlender
Hinweis auf die OS-Plattform gemäß § 312d BGB i.V.m. Art. 14 Abs. 1 VO(EU) Nr.
524/13, fehlende Information über Speicherung des Vertragstextes gemäß § 312i
Abs. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246c Nr. 2 EGBGB) unstreitig nicht erteilt und
damit gegen §§ 3 Abs. 1, 3a UWG verstoßen. Dies hat die Beklagte in der Sache
auch nicht in Abrede genommen.
Dem Kläger steht damit in der Sache grundsätzlich ein
Anspruch auf Unterlassung gemäß § 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG zu. Zur weiteren
Begründung wird auf das Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 13. März 2018
(Az. 13 U 160/17, dort zu ll. 2.) Bezug genommen.
Die Klage ist jedoch rechtsmissbräuchlich und damit
unzulässig.
1.
Zunächst ist das Rechtschutzbedürfnis für die Hauptsacheklage
nicht durch das vorangegangene einstweilige Verfügungsverfahren entfallen. Das
einstweilige Verfügungsverfahren stellt eine vorläufige Regelung dar. Damit dieser
vorläufigen Regelung eine Dauerwirkung wie ein Hauptsachetitel zukommt, bedarf
es eines sogenannten Abschlussverfahrens zur endgültigen Beendigung des Rechtsstreits
unter Vermeidung des Hauptsacheverfahrens (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler,
UWG, 38. Aufl., § 12 Rn. 3.69 ff.). Der Kläger hat sich vorliegend um ein
derartiges Abschlussverfahren bemüht. Die Abgabe einer Abschlusserklärung wurde
jedoch von der Beklagten verweigert. Das Rechtschutzbedürfnis für die
Hauptsacheklage ist damit nicht entfallen.
2.
Die in § 8 Abs. 3'Nr. 2 UWG enthaltene Regelung der
Voraussetzungen, unter denen Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen
wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend machen können, betrifft
sowohl die prozessuale Klagebefugnis als auch die sachlich-rechtliche
Anspruchsberechtigung (BGH, Urteil vom 17.08.2011, l ZR 148/10 -2
Glücksspielverband, Rn. 12). Da es sich um Sachurteilsvoraussetzungen handelt,
müssen sie auch noch in der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen,
a.a.O. §8 Rn. 3.66). Sie sind von Amts wegen im Freibeweisverfahren
festzustellen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, a.a.O. § 8 Rn.
3.65).
Zwar ist der bereits seit einigen Jahren, tätige Kläger nach
seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung zur Wahrnehmung
seiner satzungsmäßigen Aufgaben in der Lage. Die Finanzausstattung des Klägers
ist nach den verfügbaren Angaben als ausreichend anzusehen. Legt der Verband
eine die Kosten des Streitfalls vielfach übersteigende liquide Finanzausstattung
dar und ist nicht bekannt geworden, dass er in der Vergangenheit Zahlungspflichten
für Prozesskosten nicht nachgekommen ist, so kann eine unzureichende
finanzielle Ausstattung des Verbands grundsätzlich nur angenommen werden, wenn
das bei zurückhaltender Betrachtung realistische Kostenrisiko des Verbands
seine dafür verfügbaren Mittel spürbar übersteigt (BGH, Urteil vom 17.08.2011,
l ZR 148/10 - Glücksspielverband, Rn. 15). lm Streitfall belief sich nach den
vorgelegten Unterlagen das Kontoguthaben des Klägers zum 28.01.2019 (Auszug
Anlage K 6) auf 104.061,28 ê. Hinzu kommen die vom Kläger benannten
Mitgliedsbeiträge von rund 44.000,00 € im Monat, sowie die eingezogenen
Abmahnkosten. Es bestehen auf dieser Grundlage keine Anhaltspunkte dafür, dass
das Kostenrisiko der von dem Kläger geführten Rechtsstreitigkeiten die verfügbaren
Mittel spürbar übersteigt. Auch hinsichtlich der sachlichen und personellen Ausstattung
des Klägers bestehen keine Zweifel.
Der Kläger verfügt über angemietete Büroräume nebst der
erforderlichen Büroausstattung (vgl. Anlagenkonvolut K 4) und beschäftigt -
neben der Vereinsvorsitzenden - eine Geschäftsführerin sowie drei weitere angestellte
Mitarbeiterinnen. Weiter sind für den Kläger - nebenberuflich - ein Justiziar
und zwei freie Mitarbeiter tätig.
b)
Die Kammer hat auf der Grundlage der von dem Kläger - erst
im Laufe des Rechtsstreits - vorgelegten Unterlagen und der bislang vernommenen
Zeugen keine durchgreifenden Zweifel mehr, dass die von dem Kläger in der nicht
anonymisierten Mitgliederliste benannten 29 Mitglieder auch tatsächlich
Mitglieder des Klägers sind die jeweils Münzen, Schmuck oder Silberwaren zum Kauf
anbieten.
aa)
Der Kläger hat anhand der aktualisierten Mitgliederliste
(Anlage K 34, Stand vom 9. Mai 2019) substantiiert vorgetragen, dass er über 29
Mitglieder der streitgegenständlichen Branche verfügt und diese Mitglieder
namentlich benannt. Der Kläger hat außerdem im Laufe des Rechtsstreits für
jedes einzelne Mitglied die Rechnungen über den Mitgliedsbeitrag sowie die
damit korrespondierenden Zahlungsbelege vorgelegt und diese auch für das Jahr
2020 aktualisiert. Dem ist die Beklagte nicht mehr substantiiert
entgegengetreten. Das schlichte Bestreiten, dass diese 29 Personen trotz der
Zahlung der Mitgliedsbeiträge kein Mitglied geworden sind, reichte aufgrund der
weiteren von dem Kläger vorgelegten Unterlagen nicht (mehr) aus. Darauf ist die
Beklagte auch mit Hinweis vom 4. April 2020 hingewiesen worden. Substantieller
Vortrag zu dem Fehlen der Mitgliedschaft von allen bzw. einzelnen Mitgliedern
ist danach jedoch nicht mehr erfolgt.
Die von der Kammer vernommenen Zeugen haben außerdem
sämtlich ihre Mitgliedschaft bei dem Kläger bestätigt. Konkrete Anhaltspunkte,
dass demgegenüber die weiteren im Beweisbeschluss benannten und von der Kammer
nicht mehr vernommenen Zeugen entgegen der vorgelegten Unterlagen kein Mitglied
beim Kläger sind, liegen nicht vor. Die Beklagte hat dazu auch trotz des
Hinweises des Gerichts keinen konkreten Vortrag mehr gehalten. Die
Mitgliedschaft scheitert auch nicht an einem fehlenden Beschluss des Vorstands des
Klägers. Die Mitgliedschaft ist jedenfalls konkludent durch Übersendung der Mitgliedsrechnung
aufgrund der Online-Anmeldung und der nachfolgenden Zahlung der
Mitgliedsbeiträge zustande gekommen. Zwar war in § 3 Abs. 2 der alten Satzung
(Anlage K 3) ausgeführt, dass der Vorstand über die Aufnahme durch einstimmigen
Beschluss entscheidet; in § 3 Abs. 1 der neuen Satzung (Anlage K 3a) ist nur
noch ausgeführt: „Der Vorstand entscheidet über die Aufnahme“. Unstreitig hat
es einen Beschluss des Vorstands hinsichtlich der Aufnahme von neuen
Mitgliedern nicht gegeben.
Die Mitgliedschaft in einem Verein wird durch Beitritt erworben.
Der Beitritt ist ein Vertrag zwischen Verein und Mitglied, durch den die
Mitgliedschaft des Beitretenden begründet wird und der durch Beitrittserklärung
des künftigen Mitglieds sowie Annahmeerklärung des Vereins zustande kommt (RG,
RGZ 100, 1, 2; BGH BGHZ 28, 131, 134). Der Beitritt kann auch konkludent
erfolgen, auch dann, wenn die Satzung für die Aufnahme bestimmte
Voraussetzungen vorschreibt, solange nicht ausdrücklich bestimmt ist, dass die
Einhaltung dieser Voraussetzungen Wirksamkeitsvoraussetzung für die Aufnahme
ist (BGH, Urteil vom 29.07.2014, ll ZR 243/13 Rn. 12 = NJW 2014, 3239). Selbst
bei einem fehlerhaften Beitritt besteht bis zur Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit
(durch das Mitglied) eine faktische Mitgliedschaft, die entsprechend den
Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft zum Schutz des Rechtsverkehrs sowie der
übrigen Mitglieder des Vereins grundsätzlich als wirksam behandelt wird (vgl. Staudinger/Schwennicke,
2019, BGB, § 38 Rn. 119 m.w.N.)
bb)
Ob der Kläger darlegen konnte, dass ihm eine erhebliche Zahl
von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder
verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, kann dahinstehen.
Verbände sind nur dann anspruchsberechtigt, soweit ihnen
eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen
gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Damit sind solche
Unternehmen gemeint, die dem Verletzer auf demselben sachlich und räumlich
relevanten Markt als Wettbewerber begegnen, also um Kunden konkurrieren können
(BGH GRUR 2000, 1084,1085- Unternehmenskennzeichnung) Es reicht aus, dass die
Mitgliedsunternehmen eine zumindest nicht gänzlich unbedeutende
Beeinträchtigung durch die Werbemaßnahmen mit einer gewissen, wenn auch nur
geringen Wahrscheinlichkeit zu befürchten haben. Es muss also ein
Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Mitgliedsunternehmen und dem Verletzer
bestehen. Dieses wird in der Regel durch die Zugehörigkeit zur selben Branche
oder zumindest angrenzenden Branchen begründet (OLG Frankfurt, Urteil vom 2.
Mai 2019, 6 U 58/18 Rn. 16 m.w.N.). Verbände sind nur dann anspruchsberechtigt,
soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört. Eine Mindestanzahl
ist nicht erforderlich, auch muss nicht die Mehrheit der Mitbewerber dem
Verband angehören. Es müssen lediglich Unternehmen aus dem Kreis der
Mitbewerber auf dem relevanten Markt nach Anzahl und/oder Größe, Marktbedeutung
oder wirtschaftlichen Gewicht in der Weise repräsentativ vertreten sein, dass
ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann (BGH
GRUR 2007, 610 Rn. 18 – Sammelmitgliedschaft V). Es ist nicht erforderlich,
dass die Verbandsmitglieder nach ihrer Zahl und ihrem wirtschaftlichen Gewicht
im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmen repräsentativ
sind (BGH GRUR 2009, 692 Rn. 12 - Sammelmitgliedschaft Vl).
Der sachlich relevante Markt ist vorliegend der Handel mit
Münzen, Schmuck und Silberwaren (vgl. Urteil OLG Celle vom 13.03.2018, 13 U
160/17 zu ll. 1. `b)). Der Kläger hat durch Vorlage von Screenshots (vgl. u.a.
Anlage K 56, K 60 bis K 64) für jedes einzelne Mitglied nachgewiesen, dass es
Artikel aus der Rubrik „Münzen, Schmuck und Silberwaren“ über eBay angeboten
hat. In der Mitgliederstruktur des Klägers besteht jedoch die Besonderheit,
dass er seine Mitglieder weit überwiegend aus Einzelverkäufern bei eBay
rekrutiert. Aus den vorgelegten Unterlagen (Screenshots Angebote) und den
Angaben der vernommenen Mitglieder des Klägers ergibt sich, dass ein Großteil
der Mitglieder eine Vielzahl gänzlich verschiedene Waren anbietet und die
Plattform eBay als eine Art digitalen Flohmarkt nutzt, bei dem eine Vielzahl
verschiedener Waren, dies aber oft nur in kleiner Stückzahl angeboten werden
(vgl. OLG Frankfurt a.a.O. Rn. 26). Die Umsätze der Mitglieder sind dabei eher
niedrig und der Umsatz, der auf den Verkauf der Waren aus der
streitgegenständlichen Branche anteilig entfällt, nochmals deutlich geringer. Ob
man daher bei bundesweit lediglich 29 Mitgliedern, die überwiegend als Kleinunternehmer
ein „Gemischtwaren-Sortiment“ und nur vereinzelt Waren aus der Rubrik „Münzen,
Schmuck und Silberwaren“ anbieten, überhaupt von einer erheblichen Zahl
ausgehen kann, erscheint mehr als fraglich (vgl. auch OLG Koblenz, Beschluss
vom 03.02.2020, 9 W 356/19, Anlage B 27 = WRP 2020, 775), kann vorliegend aber
aufgrund des Rechtsmissbrauchs (s.u.) dahinstehen. Einer weiteren
Beweisaufnahme durch Vernehmung der restlichen Mitglieder bedurfte es daher
insoweit nicht mehr.
3.
Die Klage ist aber als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8
Abs. 4 UWG anzusehen.
Der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 8 Abs. 4 UWG), der
bereits die Zulässigkeit der Unterlassungsklage betrifft (BGH, Urteil vom
20.12.2001, l ZR 215/98 - Scanner- Werbung, Rn. 32), greift durch. Für einen
Rechtsmissbrauch spricht, dass der Kläger die Unternehmen, deren Interessen er
nach seiner Satzung fördern will, nur als passive Mitglieder aufnimmt und diese
damit- ohne ersichtlichen sachlichen Grund - gezielt von der Willensbildung des
Vereins ausschließt. Dass die zu fördernden Unternehmen ausschließlich als
passive Mitglieder aufgenommen werden, ergibt sich dabei aus den - von dem
Beklagten vorgelegten und auf der Homepage abrufbaren - Nutzungsbedingungen des
Klägers. Gemäß Nrn. 1. Abs. 1 und Abs. 2 der Nutzungsbedingungen i.V.m. § 3
Abs. 1 der Satzung erfolgt die Aufnahme der Online-Unternehmer ausschließlich
als passives Mitglied, die gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. § 9 Abs. 1 der Satzung kein
Stimmrecht in der Mitgliederversammlung haben. Nach §13 Abs. 3 und 4 der
Vereinssatzung sind nur aktive Mitglieder berechtigt, in die Vereinsorgane
gewählt zu werden. Nur sie haben ein Stimmrecht in der Mitgliederversammlung (§
9 Abs. 1), während die passiven Mitglieder nicht stimmberechtigt sind. Nach den
- nicht näher substantiierten - Angaben des Klägers verfügt er über 30 bis 50
aktive Mitglieder, denen passive Mitglieder in einer Größenordnung von 2.395
bis zu 2.600 Mitgliedern - zu denen auch die 29 streitgegenständlichen
Mitglieder der Branche Münzen, Schmuck und Silberwaren gehören -
gegenüberstehen. Damit entscheidet ein Prozentsatz von maximal etwa 2 % der
Mitglieder über sämtliche Belange des Vereins, sowohl in tatsächlicher und
rechtlicher als auch in finanzieller Hinsicht, so auch über die Vergütungen der
Vorsitzenden und der angestellten Mitarbeiterinnen. Soweit der Kläger vorträgt,
dass diese Struktur gerade gewollt sei, weil die Vereinsziele des Klägers bei
ca. 2.600 Mitgliedern nicht mit kostenpflichtigen Versammlungen und endlosen
Debatten mit juristischen Laien zu erreichen seien, zeigt dies deutlich, dass
die Durchsetzung der Interessen einzelner im Vordergrund steht, nicht aber die
Meinungsbildung aus der Mitgliederversammlung als Willensbildungsorgan eines
Vereins heraus. Soweit der Kläger weiter vorträgt, dass die passiven Mitglieder
bei der Willensbildung nicht komplett außen vor seien und alle passiven
Mitglieder anderweitige Möglichkeiten hätten, das Vereinsgeschehen zu beeinflussen,
reicht dies als aktive Teilhabe an der Gestaltung der Willensbildung des
Klägers nicht aus. Dass sich die passiven Mitglieder bei Hilfestellungen
jederzeit an den Kläger wenden können und dass sie nicht an der Teilnahme an
der Mitgliederversammlung gehindert würden, führt nicht dazu, dass sie aktiv -
z.B.` durch ein Stimmrecht - auf die Willensbildung maßgeblich Einfluss nehmen
können. Ein sachlicher Grund, warum die Online-Unternehmen, deren Interessen der
Kläger nach seiner Satzung gerade und ausschließlich fördern will, von der
Willensbildung des Klägers ausgeschlossen werden, ist danach nicht ersichtlich.
Insgesamt entsteht dadurch der Eindruck, dass der Vorstand den Kläger vor allem
zu dem Zweck unterhält, durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen Einnahmen
zu generieren, und dass die zur Erlangung der Aktivlegitimation und
Prozessführungsbefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG notwendigen Mitglieder
gezielt von der Willensbildung ausgeschlossen werden, um diese Einnahmequelle
nicht zu gefährden (vgl. zum Rechtsmissbrauch OLG Celle, Urteil vom 26.03.2020,
13 U 73/19, Rn. 30 ff.).
ll.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt
aus § 709 S. 1 ZPO.
Die Festsetzung des Streitweıts beruht auf § 51 Abs. 2 GKG.